Imaginationsräume der Transzendenz
Therese Bruggisser-Lanker geht in ihrem interdisziplinär angelegten Ansatz den Ursprüngen der europäischen Musiktradition nach. Diese gründet in der Weltsicht einer von Gott in vollkommener Harmonie geschaffenen, universalen und transzendenten Ordnung, als deren Abbild Musik verstanden wurde.
Auf den Spuren der neuplatonisch-augustinischen Denkrichtung, die im anagogischen Akt des stufenweisen Aufstiegs zur göttlichen Wahrheit und intelligiblen, absoluten Schönheit den Weg zur Erkenntnis sah, werden symbolhafte Kontexte zu Musik und Tod in den Denk- und Empfindungswelten des Mittelalters verknüpft, die in der meditatio mortis ihren Ausgang nahmen. Letztlich führten sie zur Emanzipation der Musik als einer schöpferischen, sich als Kunst definierenden musica poetica.Musik wurde jedoch nicht nur als Konzept der Aneignung von Welt verstanden, sondern im Ritus wie im Ritual auch als Medium der Kommunikation mit dem Göttlichen, die zur symbolischen Bewältigung und Objektivierung existenzieller Grenzerfahrungen wie zu kollektiver und subjektiver Sinnstiftung beitrugen.
Besonders im Memento-mori-Lied »Media vita in morte sumus« bündeln sich eschatologische Perspektiven, die bildhafte Imagination des Gekreuzigten, die Gestik aus der Zeremonie der adoratio crucis, seine liturgische Herkunft aus dem Abendgebet und dem Totenoffizium und nicht zuletzt magischer Zauber wie Strahlen in einem Brennglas, in dem sich Todesbilder des Mittelalters in einzigartiger Weise verdichten.
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